Zürcher Stadtratswahl 2014

Am 9. Februar 2014 findet nicht nur wieder einmal ein Referendum statt, es wird auch Stadt- und Gemeinderat in Zürich gewählt. Aus Neugierde stellten wir den Stadtratskandidaten einige Fragen zum Thema Videoüberwachung in der Stadt, Datenschutz-Malheur an der Uni Zürich, Schutz vor Überwachung durch den Bund, neues Nachrichtendienstgesetz und Asyl für Edward Snowden:

  1. Wie stehen sie zu einer Ausweitung der Überwachung öffentlicher Räume durch Kameras? Sollte die Anzahl der Kameras eher vergrössert oder eher verringert werden? An Schulen ist eine Zunahme der Kameraaugen besonders stark zu erkennen, schon Kinder werden also im Schulalltag auf dem Pausenhof laufend überwacht. (Anmerkung: Tatsächlich geht die Frage von falschen Tatsachen aus. Die Kameras sind während dem Schulalltag nicht in Betrieb. Sie dienen dem Schutz vor Vandalismus und die Aufnahmen werden nach 7 Tagen gelöscht, wie die Stadtveraltung mitteilt. Verzeihung an dieser Stelle.)
  2. In Zürich hat die Entlassung von Christoph Mörgeli und Iris Ritzmann durch die Universität Zürich grosses Aufsehen erregt. Dabei ist auch zu Tage getreten, dass die Universität die Kommunikationsdaten ihrer Mitarbeiter an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet hat, obwohl kein konkreter Verdacht bestand. Wie stehen sie zu dieser Verletzung des Datenschutzgesetzes? Wie können solche Fälle in Zukunft verhindert werden?
  3. Wir wissen spätestens seit vergangenem Sommer, dass sich kaum einer der Überwachung durch aus- und inländische Geheimdienste entziehen kann. Wie kann man sich als Bürger davor schützen? Wäre es nicht die Aufgabe des Bundes für die Grundrechte seiner Bürger zu sorgen? In der Schweiz bleibt die Empörung darüber aus. Im Gegenteil, es wird aktiv an einem neuen Nachrichtendienstgesetz gearbeitet, welches dem Schweizer Geheimdienst noch umfänglichere Kompetenzen einräumt. So sollen beispielsweise Computer gezielt mit staatlicher Überwachungssoftware infiziert werden können. Zudem soll die Vorratsdatenspeicherung, also die anlasslose Massenüberwachung von nahezu allen Bürgern, ausgeweitet werden. Was ist ihre Meinung dazu?
  4. Was halten sie von einer Vernehmung von Edward Snowden in der Schweiz, im Bezug auf die Geheimdienstaktivitäten. Sind sie der Meinung, dieser Mann sollte in der Schweiz Asyl, beziehungsweise ein anders geartetes Aufenthaltsrecht bekommen, welches ihn vor dem Zugriff der USA schützen kann?

Die Kandidaten der Stadtratswahl 2014 sind:

Von Hans Ulrich Flückiger und Anthony Monn waren keine Kontaktdaten verfügbar. Allen anderen Kandidaten wurde der Fragenkatalog zugestellt. Bis 26. Januar 2014 (2 Wochen vor der Wahl) sind von den hervorgehobenen Kandidaten Antworten eingetroffen.

Nina Fehr Düsel, SVP

  • Zu 1.: An neuralgischen Stellen (Bahnhöfe, Flughäfen, Sportstadien, Schulhöfe und dergleichen) macht eine Anzahl Überwachungskameras Sinn, an Schulen meines Erachtens eher weniger. Wenn dies gezielt und punktuell erfolgt, können Kameras präventiv für die Sicherheit und bei der Abklärung von Gewalttaten und Straftaten zwar wichtige Dienste leisten. Allerdings macht dies m.E. nur an neuralgischen Stellen Sinn; es ist Zeit für eine Verhältnismässigkeitsabwägung. Der Schutz der Privatsphäre ist ein Menschenrecht. Überwachung soll die Ausnahme bleiben.
  • Zu 2.: Derartige Verletzungen des Datenschutzgesetzes – zumal durch eine Universitätsleitung – sind grundsätzlich nicht tolerierbar und müssen - wenn kein konkreter Verdacht besteht - bestraft werden. Die Kommunikation muss klar geregelt werden. Gesetze, die Sicherheitslücken in der Technik ermöglichen sind grundsätzlich unverhältnismässig und untergraben die Privatsphäre und Sicherheit unbeteiligter Dritter.
  • Zu 3.: Die Tätigkeit vor allem ausländischer Nachrichtendienste (insbesondere wirtschaftliche und militärische Spionage) ist allgegenwärtig und umfassend. Dabei ist es nicht nur die USA; andere Grossmächte und einige Diktaturen sind zweifellos mindestens so aktiv – aber sie müssen sich nicht mit einem „Snowden“ herumschlagen. Der Schweizer Nachrichtendienst (mit etwa 12 Stellen gegenüber rund 200‘000 in den USA) ist vergleichsweise schwach. Für den einzelnen Bürger gibt es ein paar „Regeln“, die auch im Alltag sinnvoll sind. Zentral ist mich für mich: Heikle Informationen werden nicht via Handy sondern via Festnetz oder noch besser persönlich ausgetauscht. Entsprechende Grundrechte müssen auch gesetzlich verankert werden.
  • Neues Nachrichtendienstgesetz, Vorratsdatenspeicherung: Mit dem revidierten Nachrichtendienstgesetz wird die Effizienz des Nachrichtendienstes etwas verbessert. Geheime und auch anlasslose massenhafte Überwachung gefährdet allerdings die Menschenrechte und den Schutz auf Privatsphäre. So sollen nur bei Verdacht (z.B. terroristische Planungen) Telefone abgehört werden, auch muss auf Antrag des Bundesrates das Bundesverwaltungsgericht grünes Licht geben. Man rechnet mit etwa 10 Fällen pro Jahr. Ebenso können bei Verdacht Datensysteme kontrolliert werden. Auch hier geht es letztlich um unsere Sicherheit. Es ist allerdings Zeit, Verhältnismässigkeit und Rechtsschutz zentral in Überwachungsgesetzen zu verankern.
  • Zu 4.: Snowden mag Motive haben für seine „Tätigkeit und sein Whistleblowing“, was grundsätzlich schützenswert ist. Geheime Überwachungsgesetze sind nicht akzeptabel. Es bleibt zu prüfen, ob eine Vernehmung durch die Schweizer Behörden Sinn macht. Ich denke, ihm Asyl zu gewähren, wäre wohl falsch und nicht im Sinn unseres Asylgesetzes.

Raphael Golta, SP

  • Zu 1.: Es braucht keine Ausweitung der Überwachung der öffentlichen Räume. Allerdings denke ich, dass es tatsächlich Orte gibt, wo die - heute schon vorhandene - Überwachung sinnvoll ist.
  • Zu 2.: Die Universität hat hier einen klaren Fehler begangen. Fehler lassen sich auch für die Zukunft nicht ausschliessen. Wir brauchen aber - gerade bei staatlichen Stellen - eine grössere Sensibilisierung in diesem Bereich. Der Datenschutzbeauftragte bemüht sich heute schon sehr um diese Sensibilisierung. Er verfügt aber eher über zu knappe Mittel, um dem Auftrag vollumfänglich nachzukommen.
  • Zu 3.: Ja, der Bund müsste sich um den Schutz unserer diesbezügliche Grundrechte kümmern.
  • Zu 4.: Wenn er ein Asylgesuch stellt, so soll dieses gleich geprüft werden, wie jedes andere Asylgesuch aus. Ich bin nicht der Ansicht, dass PolitikerInnen über Asylgesuche entscheiden sollten.

Peter Keel, Piraten

Ich habe meine Blog-Einträge der letzten Jahre durchgeschaut, und tatsächlich geht es im wesentlichen um Urheberrecht und Patente. Meine Positionen zu Überwachung und Datensparsamkeit kommen offenbar vor allem in Postings auf Drittseiten zur Geltung.

Ich habe mich 2006 mal darüber aufgeregt: http://seegras.discordia.ch/Blog/heil-helvetia aber eigentlich wäre es an der Zeit, mal was neues zu schreiben.

In Kürze: Jede Sammlung von Personendaten wird missbraucht, sei es von staatlichen Akteuren oder von Dritten, die sich darauf Zugriff verschaffen. Überwachung erhöht nicht die Sicherheit, sondern verringert sie. Ausserdem ist die verdachtslose Überwachung nicht mit einem Rechtsstaat zu vereinbaren (und Staatstrojaner schon gar nicht).

Und was Geheimdienste betrifft: Deren Aufgabe ist es, die eigenen Bürger zu schützen. Unter anderem vor fremden Geheimdiensten. Wenn die dann Daten über die eigenen Bürger an fremde Geheimdienste liefern, dann nennt sich das “Verbotener Nachrichtendienst” und ist strafbar. Falls das endemisch geschieht, dann wäre der Geheimdienst vermutlich als “Rechtswidrige Vereinigung” einzustufen.

Gerold Lauber, CVP

  • Zu 1.: Eine flächendeckende Überwachung des öffentlichen Raums durch Überwachungskameras erachte ich als wenig sinnvoll. Die Privatsphäre des Bürgers gehört geschützt. Zudem zeigen Beispiele aus London, dass eine flächendeckende Überwachung die Sicherheit kaum massgeblich erhöht. Sinnvoll sind Kameras insbesondere im Verkehrsbereich, damit die Stadtpolizei die grossen Einfallsachsen beobachten und gegebenenfalls entsprechend reagieren kann, um ein Verkehrschaos zu verhindern. In Bezug auf die Überwachung von Schulanlagen sind Sie offenbar nicht korrekt informiert worden. Wir hatten an den Schulen jedes Jahr Vandalenschäden, welche Kosten von teilweise mehreren hunderttausend Franken auslösten. Die Überwachungskameras auf Schulanlagen dienen einzig dem Zweck, solche Schäden zu verhindern. Denn grundsätzlich begrüssen wir es, wenn die Pausenplätze auch ausserhalb der Schulzeiten durch die Quartierbevölkerung genutzt werden und als Treffpunkt dienen. Die Kameras sind nur ausserhalb der Schulzeiten in Betrieb. Von einer Überwachung der Kinder im Schulalltag kann daher keine Rede sein. Die Kameras erfassen auch nur die gefährdeten Fassadenteile und nicht den Pausenplatz. Die Daten werden nur für sieben Tage gespeichert und dann gelöscht, wenn in diesem Zeitraum keine Sachschäden zur Anzeige gebracht werden. Es handelt sich also eher um einen Objektschutz als um die Überwachung des öffentlichen Raums. Der Betrieb der Kameras und das entsprechende Reglement wurde vom Datenschützer abgesegnet. Unsere Erfahrungen mit den Kameras sind gut. In den überwachten Schulanlagen sind die Vandalenschäden stark rückläufig.
  • Zu 2.: Ich möchte mich zu diesem Einzelfall nicht äussern, zumal ich auch nicht über vertiefte Kenntnisse des Sachverhalts verfüge. Grundsätzlich bin ich aber der Meinung, dass der Datenschutz ein sehr sensibler Bereich ist, der höchste Aufmerksamkeit verdient. Gerade im Schulbereich ist der Schutz von vertraulichen Daten elementar. Und die Schülerinnen und Schüler aber auch die Eltern haben einen berechtigten Anspruch, dass ihre sensiblen Daten vertraulich behandelt werden. Wir sensibilisieren unsere Mitarbeitenden regelmässig für dieses Thema und haben auch eine Juristin zur Datenschutzverantwortlichen bestimmt, welche als Schulungs- und Auskunftsperson für das Personal zur Verfügung steht. Im Unterricht wird der Datenschutz mit den Schülerinnen und Schülern im Rahmen der Medienkompetenzausbildung ebenfalls thematisiert und die Schülerinnen und Schüler für entsprechende Fragen sensibilisiert.
  • Zu 3.: Einen vollumfänglichen Schutz vor solchen Machenschaften wird kaum je möglich sein. Die technische Entwicklung ist rasant – mit ihr schrittzuhalten eine gewaltige Herausforderung. Was heute teilweise praktiziert wird, ist schon nach der herrschenden Gesetzeslage verboten. Nur mit Gesetzen wird man diesem Problem daher kaum Herr. Neben gesetzlichen Regelungen braucht es daher vor allem Aufklärung und Wissenstransfers, so dass jeder/ jede seine Eigenverantwortung wahrnehmen und sich so vor unzulässigem «Datenabgriff» möglichst weitgehend schützen kann.
  • Neues Nachrichtendienstgesetz, Vorratsdatenspeicherung: Wie schon ausgeführt: Der persönliche Daten gehören so weit wie möglich geschützt, so lange keine strafbaren Handlungen vorliegen. Eine solches Vorgehen lehne ich als liberaler Mensch klar ab.

Roland Scheck, SVP

  • Zu 1.: Ich bin klar gegen eine Ausweitung. Die stationäre/permanente Überwachung geht mir heute bereits zu weit (Ausnahme: im ÖV, wo ein nachweislicher Erfolg zur Eindämmung von Gewalt und Vandalismus festzustellen ist). Allerdings werde ich mich dafür einsetzen, dass Grossveranstaltungen mit temporären Kameras überwacht werden, mit dem Ziel, die Entstehung von Massenpaniken frühzeitig zu erkennen und zu verhindern.
  • Zu 2.: Bei der Amtsgeheimnisverletzung im Zusammenhang mit Christoph Mörgeli war die Schwachstelle Mensch ausschlaggebend, und nicht die Technik. Der Datenschutz steht und fällt letztendlich mit der inneren Sicherheit, dem Mitarbeiter. Hier braucht es eine ‘weiche’ Massnahme: Förderung der Mitarbeiterzufriedenheit. In gewissen Bereichen gehen mir die heutigen Datenschutzbestimmungen aber auch zu weit. Weshalb darf zum Beispiel ein Lehrer nicht erfahren, wenn einer seiner Schüler straffällig geworden ist? Oder das Sozialamt, wenn gegen einen Bezüger von Sozialleistungen ein Strafverfahren läuft?
  • Zu 3.: Hier bin ich leider überfragt. Es gibt bestimmt Verschlüsselungs- und Anonymisierungs-Technologien, die eine gewisse Abhilfe vor Überwachung bringen können. Aber ein vollständiger Datenschutz in der digitalen Welt sehe ich nicht als realistisch an. Da kann auch der Bund keine Wunder bewirken. Ich persönlich mache für mich eine Güterabwägung: mir ist mein Computer/mein Handy/meine Internetanbindung derart wichtig im Leben geworden, dass ich auch damit leben kann, wenn die Datensicherheit nicht zu 100% gegeben ist. Vollständige Sicherheit würde wohl den Verzicht auf diese Technologiegen bedeuten, und dazu bin ich nicht bereit.
  • Neues Nachrichtendienstgesetz, Vorratsdatenspeicherung: Dem neuen Nachrichtendienstgesetz stehe ich eher positiv gegenüber. Die Schweiz ist auf einen leistungsfähigen Nachrichtendienst als Teil der Landessicherheit angewiesen, der die Kernaufgaben der Prävention und der Lagebeurteilung wahrnehmen kann. Dabei gilt es eine Güterabwägung vorzunehmen. Auf der einen Seite gilt es dem Schutz der Bürger nachzukommen und andererseits ist eine unnötige Bespitzelung unbescholtener Personen zu vermeiden. Diese Kriterien werden mit dem Entwurf des neuen Gesetzes meines Erachtens weitgehend erfüllt.

Andres Türler, FDP

Ihr Anliegen, dass wir uns nicht zu einem Überwachungsstaat entwickeln sollen, teile ich als Politiker mit liberaler Grundhaltung vollumfänglich. Huxley’s „Brave New World“ und Orewells’s „1984“ haben mich seit meiner Mittelschulzeit bis heute geprägt. Grundsätzlich bin ich skeptisch gegenüber jeglicher Art von Kamera, wo auch immer sie steht, auf öffentlichem Grund oder im Einkaufszentrum. Der Schutz der Privatsphäre und das Recht am eigenen Bild sind für mich hohe Güter.

Ausnahmen sollen dann möglich sein, wenn es um die Sicherheit von Personen und Sachen geht. Dies allerdings nur mit strenger gesetzlicher Auflage. Bei den VBZ, für die ich politisch verantwortlich bin, verzeichnen wir seit dem Einsatz von Videokameras an Haltestellen und in Fahrzeugen einen deutlichen Rückgang bei den Vandalenschäden.

So kritisch viele Bürgerinnen und Bürger aber bei der Überwachung durch den Staat sind, so sorglos sind sie gegenüber vergleichbaren Aktivitäten durch private Firmen. Kumulus- und Coopkarten sind nur der Anfang eines um sich greifenden Übels. In diesem Bereich sollten wir als Individuen ein erhöhtes Bewusstsein für die Spuren entwickeln, die wir in unserem Alltag freiwillig hinterlassen.