BWIS II

Die Staatssicherheit soll erhöht werden, nicht nur im Ausland ist das Begehren seit den Terroranschlägen dieses, sondern auch hierzulande. Infolgedessen wird am Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der Inneren Sicherheit gearbeitet; wie eine Medienmitteilung seitens der Fedpol vom 02.02.2006 vermerken lässt, ist der aktuelle Entwurf nach einer richtungsweisenden Eingrenzung durch das EJPD entstanden.

Die Vernehmlassung ist vorbei und sollte in ihren Ergebnissen hier noch publiziert werden. Leider hat sich der CCCZH an dieser nicht beteiligt.

Arbeiten

Diskussion

Über diesen Vorentwurf der Bundespolizei (fedpol) soll an physischen Treffs, virtuellen Chats oder auf der debattiert werden.

Analyse (Work-in-Progress)

Die Änderungsvorschläge sind nachfolgend grob skizziert, in Teilen und Ansätzen - womöglich unvollständig oder gar falsch.

So editiere zwecks Präzisierung oder Wahrheit, weisst Du es genauer oder genau; danke!

Veränderte Gesetze

Gesetze, die die Fedpol im Zuge der Verschärfung und Konkretisierung der Massnahmen zur Wahrung der Inneren Sicherheit der Schweiz zur Veränderung vorschlägt, sind:

  • das Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der Inneren Sicherheit,
    BWIS - in gröberem Ausmasse (die erweiterten Massnahmen)
  • das Bundesgesetz über das Bundesverwaltungsgericht,
    VVG - im Sinne des BWIS II
  • das Schweizerische Strafgesetzbuch,
    StGB - im Sinne des BWIS II
  • das Bundesgesetz über die Armee und die Militärverwaltung,
    MG - im Sinne des BWIS II
  • das Fernmeldegesetz,
    FMG - im Sinne des BWIS II

Die Änderungen

BWIS

Art. 10a: Schmeckt nach einer Bundesdatenbank ereignisorientierter Informationen (Elektronische Lagedarstellung, ELD), die eingerichtet werden soll und eingeschränkt auch nicht näher spezifizierten “Privaten” im Zugriff offen stehen kann, wenn es die Umstände verlangen. Diese kann auch besonders schützenswerte Personendaten enthalten.

Art. 13 Abs. 3: Dieser Absatz wird aufgehoben; somit scheinen Strafprozesse ohne Ermittlungsverfahren oder Voruntersuchung möglich zu werden. Auch das Überwachen von Privaträumen scheint bei eben oberen Verdachtsfällen ohne diese Vorarbeit damit legitimiert zu sein.

Art. 13a: Klarer aufgeführt ist neu, welches Treiben als besonders staatsgefährdend angesehen wird, dies sind Terrorismus, verbotener politischer u/o militärischer Nachrichtendienst, oder Handel mit nuklearem Material u.ä. (oder generelles proliferatives Treiben); ein “verbotener politischer Nachrichtendienst” ist problematisch; ein solcher Ausdruck droht in Zeiten der Angst äusserst dehnbar zu sein. Will der DAP ein solches Treiben erkannt haben, sichert er sich die Auskunftspflicht aller Behörden, damit sind auch Gemeinden gemeint oder die Meldestelle für Geldwäscherei (MROS), gemäss erläuterndem Bericht - freilich aus “praktischen Gründen” nicht alles ausführen zu müssen oder gar können.

Art. 13b: Geregelt werden hiermit Streiterien zwischen Behörden, die sich weigern dem DAP Informationen zuzuführen; der Departementsvorsteher soll solchenfalls entscheiden bzw. der Bundesrat; aber kann sich der DAP über Abs. 2 auch an das Bundesverwaltungsgericht versuchen.

Art. 13c: Unternehmer privaten Transports (z.B. Taxi-Fahrer) sollen an eine Auskunftspflicht gebunden werden, allerdings “nur” im Einzelfall und bei Bestehen eines gewissen Öffentlichen Interessens, wie die Autorschaft relativiert; dies geschieht über jegliches Vertrags- und Datenschutzrecht hinweg, da man sich im Transportvertrag nicht auf ein “innewohnendes spezielles Vertrauensverhältnis” berufen können soll.

Art. 13d: Dieser Artikel soll einem Berufsgeheimnisträger soviel Auskunftsverweigerungsrecht gegenüber dem DAP zugestehen, wie in einem “vom Bund geführten Strafverfahren”, also gar keines - und das als Präventivmassnahme; bei Ärzten, Banken, Versicherungen u.a. kann somit geschnüffelt werden.

Art. 14a: Der Funküberwachung wird sich in dem Artikel angenommen, die auch aufs Ausland explizit ausgedehnt werden soll; zudem soll hiermit ausdrücklich die gesetzliche Grundlage für die Verwendung des ONYX-Systems zur Überwachung ausländischer Kurzwellen geschafft werden; der ganze ausländische Funkbereich liegt aber entsprechend der “rasanten Entwicklung der Telekommunikationstechnik” im Interesse des DAP und so wird im Entwurf vorgesorgt und keine Konkretisierung vorgenommen.

Art. 14b: Das Bestehen und staatliche Verkehren mit Informanten wird gesetzlich gesichert; diese können entschädigt werden und auch können diese je nach Art der Information prämiert werden, “auf einem bescheidenen Niveau von höchstens wenigen Tausend Franken järhlich”; dieses Geld will bei Quellenschutz und/oder Sicherstellung der weiteren Informationsbeschaffung (wohl die Regel) steuerlich nicht erfasst sein: staatliche Schwarzzahlung also.

Art. 14c: Die Informanten geniessen einen umfassenden Identitätsschutz und werden wenn nötig mit einer Tarnidentität ausgestattet.

Art. 18[a-o]: Sozusagen ist hier das A und O des neuen BWIS lokalisiert; beruht das alte BWIS auf eine weitestgehende Achtung der Privatssphäre und des Datenschutzes, werden hiermit die gröbsten Barrieren abgebaut; immerhin wird die Schaffung einer Unabhängigen Kontrollkommission (UKK) zur Besonderen Informationsbeschaffung - wie dieser neue Rechteabbau genannt wird - vorgesehen; die gegenwärtig legitimierte, lediglich Allgemeine Informationsbeschaffung, erlaubt bloss zur Auswertung öffentlich-zugänglicher Quellen und Veranstaltungen. Die UKK wird auf vier Jahr gewählt und kümmert sich nun um die Rechtmässigkeit des DAP-Willens Besondere Informationsbeschaffung zu betreiben, um an weiteren Informationen zu gelangen. Sie soll den Rahmen vorgeben, nach welchem Informationen beschafft werden sollen - nach dem Kriterium der Verhältnismässigkeit, welches je nach DAP-Situationsangabe als flexibel erscheint. Das letzte, genehmigende Wort, scheint der Departementsvorsitzende des EJPD zu haben, sofern der DAP nicht angibt dringend, innert 24h, agieren zu müssen. Im Falle, dass der DAP nicht rechtmässig gehandelt hätte, müssten die Daten vernichtet werden.

Art. 18m macht klar, dass ebenfalls an “nicht allgemein zugänglichen Orten” der DAP beobachten und aufzeichen dürfte; Kameras, Mikrofone, Wanzen u.a. wären das technische Standard-Repertoire.

Die Überwachung des Fernmelde-/Postverkehrs (sichergestellt von Art. 18o) gehört hierzu und zwar an allen Stellen, die der Verdächtige verwendet - wie oben erwähnt auch ohne richterlichen Beschluss, also rein präventiv.

Wahnwitzig ist der Artikel 18n, nach welchem es neu möglich sein soll in ein besonders geschütztes EDV-System (des Verdächtigen) einzubrechen; nach o.g. staatlicher Schwarzgeldzahlung nun auch noch staatliches Hacking, ohne, dass der Betroffene dies wissen müsste.

Der Art. 18o erlaubt explizit die Aktivitäten von Personen, Organisationen oder Gruppierungen, die nach den Merkmalen von Art. 13a auffallen, für fünf Jahre und verlängert auch für mehr Zeit zu verbieten; mittels Art. 29a wird für z.B. eine fehlerhafte Einstufung die Beschwerdemöglichkeit an das Bundesverwaltungsgericht eingerichtet - immerhin? Ursprünglich, in der älteren Fassung, sollten sogar präventive Haftmassnahmen möglich gewesen sein.

Sehr faszinierend ist Art. 18b, der das Überwachung des Umfelds eines Verdächtigen ermöglicht, sprich: nicht involvierter Drittpersonen und deren Orte; keine Bange: es passierte ja nicht “ihrerwillen”; tja, wen es beruhigt, bitte schön …

Alle erlangten Daten haben übrigens 30 Tage nach Verfahrensende vernichtet zu werden, heissts; ausserdem hat der Verdächtige Mitteilungs-Anrecht, hat die Sache an Brisanz verloren und sind keine Personen durch diese Informierung des Verdächtigen u.a. gefährdet; es mag somit sein, dass der Verdächtige es nie erfährt.

Art. 27 Abs. 1: Dieser Absatz verpflichtet (neuerdings genauer) welche statistischen Informationen das EJPD jährlich über die Massnahmen zur Wahrung der Inneren Sicherheit zu liefern hat, u.a. sind dies Angaben über die Beschäftigtenzahl des Bundesamtes für die Wahrung der Inneren Sicherheit (des DAP), aber auch die Zahl und Dauer der Fälle, die einer Besonderen Informationsbeschaffung bedurften, sind bereitzustellen.

VVG

Das in Art. 29a (BWIS II) genannte Beschwerderecht wird festgehalten.

StGB

Das Strafgesetz soll an zwei Stellen verändert werden, bei Art. 179~octies~ und Art. 317~bis~; der bisherig erforderliche richterliche Beschluss zur Fernmelde-/Postverkehr-Überwachung oder zur strafffreien Urkundenfälschung für die entsprechenden Bundesamt-Angestellten (zur Wahrung der Inneren Sicherheit) wäre damit nicht länger obligatorisch; einzig das EJPD hätte (neu) einzuwilligen.

MG

Über das entworfene Art. 99 Abs. 1 wird dem Militär ausdrücklich gestattet ausländlichen Funk abzuhören; auch im Inland kann das Militär überwachen, wenns der Sicherstellung der Militärfrequenzen dient. Art. 99a schlägt die Bildung einer Unabhängigen Kontrollinstanz (UKI) allerdings vor, die dieses permanente Abhören nach der Rechtmässigkeit überwachen soll, ähnlich dem o.g. UKK in ihrem Bereich.

FMG

Im Fernmeldegesetz wird das entworfene BWIS als Rechtsquelle festgehalten.

Quellen / Weiterführende Dokumente

Generell über die Tendenz zu mehr Staatssicherheit

  • Fedpol / 2005, die Schweiz sei kein Angriffsziel, aber der Terrorismus weite sich aus - heissts in der zusammengefassten Analyse des Jahres 2004; der ganze Extremismusbericht hier
  • Rabenhorst-Weblog / 04.09.2005, Zum Wunsch und dem Problem der Infilitration Islamistischer Gruppierungen
  • WoZ / 20.09.2001, Zum günstigen Wind nach dem 11. Sept. 2001 für mehr Staatssicherheit

Generell über das BWIS II

Zum geplanten Recht (BWIS II, Entwurfsfassung Anfang 2006)

Dies ist der aktuelle Entwurf, der diskutiert und analysiert gehört.

Zum ursprünglich geplanten Recht (BWIS II, Entwurfsfassung Mitte 2005)

Der schärfere Entwurf seitens des DAP wurde vom EJPD unter Blocher zurückgewiesen; insbesondere die Ausweitung der Präventivmassnahmen auf die Organisierte Kriminalität (OK) ging ihm zuweit.

Zum geltenden Recht (BWIS) / Zur gängigen Praxis

  • Lorraine.ch / 01.01.2002, über den Wiederaufbau des Fichenstaates
  • ASS / 04.12.2001, u.a. Zitate/Kommentare zum BWIS
  • Telepolis / 12.06.2002, über das DAP, wie es Onyx verwendet, erst nachträglich mit rechtlicher Absicherung
  • WoZ / 05.09.2002, mit Informationen zum BÜPF zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs und der Onyx-Geschichte (wie die Zuständigkeitsbereiche des DAP/SND (legalisiert) verschwimmen)

Allgemeines zum Gesetzgebungsverfahren in der Schweiz